Ziele

 

  • Die Verantwortlichkeiten im Umgang mit sexualisierter Gewalt werden untersucht und organisatorische, strukturelle oder systemische Fehler sowie Versäumnisse kirchlicher Verantwortungsträger festgestellt.
  • Die Aufklärung muss sorgfältig, sachlich und belastbar sein, um Fehler und Versäumnisse von Verantwortlichen benennen zu können.
  • Aus den Fehlern in der Vergangenheit ist zu lernen und die Prävention gegenüber allen Formen sexualisierter Gewalt stetig noch weiter zu verbessern.
  • Dabei ist die Perspektive der Betroffenen handlungsleitend: Die Betroffenen sexualisierter Gewalt haben ein Recht auf eine sorgfältige, sachliche und belastbare Aufarbeitung, auf die Nennung von Verantwortlichen, Rechenschaft für deren Tun und Unterlassen und die Aufklärung des systemischen Versagens der Kirche. Die Kirche ist ihnen gegenüber in der Pflicht, für diese Aufklärung zu sorgen, aus der Vergangenheit zu lernen und sich zu verändern. Die Betroffenen erwarten größtmögliche Transparenz und individuelle und strukturelle Konsequenzen.

Hintergrund

 Das Erzbistum Köln hat mit vielen Maßnahmen eine Vorreiterrolle bei der Aufarbeitung in Deutschland eingenommen. Kardinal Woelki beruft bereits 2015 den ersten Interventionsbeauftragten in einem deutschen Bistum. Nach der Veröffentlichung der MHG Studie im Herbst 2018 beschließt das Erzbistum Köln als erste Diözese in Deutschland, den Umgang mit sexualisierter Gewalt rechtlich begutachten zu lassen. Damit wird die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) beauftragt. Im Jahr 2019 nimmt der erste Betroffenenbeirat in einer deutschen Diözese seine Arbeit auf und begleitet seitdem den Aufarbeitungsprozess.

Nachdem im Herbst 2019 die ersten Zweifel auftauchen, dass das Gutachten Persönlichkeitsrechte verletze, lässt das Erzbistum verschiedene Juristen und Wissenschaftler einzelne Kapitel des Gutachtens und die Arbeitsweise bei der Erstellung überprüfen. Das Ergebnis: Die Veröffentlichung des Gutachtens in dieser Form wäre unzulässig. Dabei werden über die verschiedenen äußerungsrechtlichen Defizite hinaus gravierende methodische Unzulänglichkeiten festgestellt.

Im Herbst 2020 kommen das Erzbistum, der Betroffenenbeirat und die Rechtsberater gemeinsam zu dem Ergebnis, dass eine Nachbesserung („Heilung“) des Gutachtens der Kanzlei WSW nicht möglich sei und es neu erstellt werden müsse. Den – im Übrigen gleichlautenden – Auftrag zur Erstellung eines neuen Gutachtens erhält die Kölner Kanzlei Gercke & Wollschläger. Dieses neue Gutachten wird bis zum 18. März 2021 fertiggestellt und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Ab diesem Zeitpunkt ist auch die Einsichtnahme in das WSW-Gutachten für Betroffene und dann für die interessierte Öffentlichkeit möglich.

Die angestrebte Aufklärung muss sachlich nachvollziehbar, juristisch korrekt und belastbar sein. Wenn die Aufklärung juristisch mangelhaft oder sogar falsch ist, wenn Vermutungen und Spekulationen in eine Begutachtung Einzug halten und methodisch nicht einwandfrei gearbeitet wird, fehlt eine vollständige und solide Grundlage für die Aufarbeitung. Bereits jetzt zeigt sich, dass aufgrund von Nachfragen seitens Prof. Gercke nach weiterem Material und Transkriptionen von (Akten-)Notizen neue Hinweise untersucht werden, die die Kanzlei WSW nicht beachtet und genutzt hat.

Kritikpunkte

In der Diskussion über den Umgang mit sexualisierter Gewalt tauchen verschiedene Fragen und Zweifel auf. Auf diese Fragen und die Erwartungen an die Veröffentlichung des Gutachtens möchten wir an dieser Stelle noch einmal kurz eingehen – weitere Informationen finden Sie unter www.erzbistum-koeln.de/uu-fakten.   

  1. Warum wird die Untersuchung der Kanzlei WSW aus München nicht veröffentlicht?

Die Veröffentlichung des Gutachtens der Kanzlei WSW ist unzulässig, da es Persönlichkeitsrechte verletzt. Mit einer Veröffentlichung würde das Erzbistum Köln sehenden Auges gegen geltendes Recht verstoßen.  

  1. Warum wird das Gutachten nicht nachgebessert?

Das Erzbistum hatte WSW schon im Winter 2019/20 mehrfach aufgefordert, Mängel zu beseitigen. Im März 2020 wurde ausdrücklich mit der Kanzlei vereinbart, dass diese die notwendigen Nachbesserungen vornimmt.Diesem wurde zugestimmt und das Gutachten durch die Kanzlei ab März weiterbearbeitet. Leider hat sie dies – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – bis zum September 2020 nicht in ausreichender Weise getan.  

  1. Warum wird das Gutachten durch die Kanzlei Gercke Wollschläger neu gefasst?

Das Gutachten von WSW leidet an schwerwiegenden handwerklichen Mängeln und ist daher als Grundlage zur Ableitung individueller und struktureller Konsequenzen ungeeignet.   

  1. Welches sind die kritisierten methodischen Mängel des WSW-Gutachtens?

Vor allem finden sich in dem WSW-Gutachten zahlreiche Verallgemeinerungen, Vermutungen und Spekulationen, die falsche Schlüsse zulassen und Bewertungen sind nicht konsequent mit der sachlichen Darstellung verknüpft. Die handschriftlichen Notizen in den vom Erzbistum Köln zur Verfügung gestellten Akten wurden nicht systematisch ausgewertet. Es ist nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien nur 15 von insgesamt 236 vorhandenen Fällen herausgegriffen und im Gutachten als „exemplarisch“ dargestellt wurden.   

  1. Ist das neu in Auftrag gegebene zweite Gutachten nur ein Gefälligkeitsgutachten?

Nein. Der Arbeitsauftrag an Prof. Dr. jur. Björn Gercke ist gleichlautend mit dem an die Kanzlei WSW ergangenen ersten Auftrag.   

  1. Warum wird das WSW-Gutachten nur zum Einblick zugelassen und nicht veröffentlicht?

Auch nach der Veröffentlichung des Gutachtens der Kanzlei von Prof. Gercke bleibt die Veröffentlichung des Gutachtens der Kanzlei WSW unzulässig, da dieses in schwerwiegender Weise Persönlichkeitsrechte verletzt. Mit einer Veröffentlichung würde das Erzbistum Köln sehenden Auges gegen geltendes Recht verstoßen.  

  1. Untersucht Prof. Gercke mehr Fälle als in der MHG Studie?

Das Gutachten von Professor Gercke untersucht nicht nur die Akten von Klerikern wie in der MHG Studie, sondern auch die der nichtgeweihten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Erzbistums. So kommt es zu den Zahlen, die das Erzbistum seit Ende 2020 offen kommuniziert.  

  1. Welche Rolle spielen die Perspektive der Betroffenen und der Betroffenenbeirat?

Der Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln wurde am 29.10.2020 eingebunden. Bei der Sitzung war die abschließende Frage des Erzbischofs und des Generalvikars an den Beirat, ob die Mitglieder des Betroffenenbeirats den Weg einer Neubeauftragung eines Gutachtens befürworten würden. Es gab ein einstimmiges Votum, das WSW-Gutachten nicht zu veröffentlichen, ein neues Gutachten zu beauftragen und diese Neubeauftragung so schnell wie möglich öffentlich zu kommunizieren. Kardinal Woelki hat sein großes Bedauern geäußert, dass aus dieser Dynamik der Vorwurf der Instrumentalisierung entstanden ist.  

  1. Werden mit der Verzögerung der Veröffentlichung des WSW-Gutachtens nicht vor allem im Erzbistum Köln Verantwortliche geschützt?

Nein. Durch die Neufassung des Gutachtens wird sorgfältiger, genauer und umfassender untersucht sowie die Zulässigkeit der Veröffentlichung gewährleistet.   

  1. Vertuscht die Bistumsleitung Straftaten?

Nein. Von Seiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden gab und gibt es kein Signal, dass die Bistumsleitung sich einer Strafvereitelung oder dergleichen verdächtig gemacht hätte.Generell: Sollte Prof. Gercke auf für die Staatsanwaltschaft relevante Informationen stoßen, wird er diese unverzüglich der Staatanwaltschaft mitteilen, mit der er im ständigen Austausch steht. Dieses Vorgehen entspricht der Praxis des Erzbistums Köln.Auch für eine kirchenrechtliche Bewertung aller Vorgänge („Disziplinarrecht“) soll und wird das Gutachten von Prof. Gercke eine wichtige Grundlage sein und mit den darin enthaltenen Analysen entsprechende Bewertungen und die Einleitung von Konsequenzen ermöglichen. Prof. Gercke wird dabei von den Kirchenrechtlern Prof. Dr. Dr. Helmut Pree und Dr. Stefan Korta unterstützt.     

  1. Hat Kardinal Woelki im Fall des Priesters O. vertuscht?

Kardinal Woelki ist überzeugt, korrekt gehandelt zu haben. Er hat die Angelegenheit zur Beurteilung an die Bischofskongregation in Rom gegeben.   

  1. Warum zieht Kardinal Woelki nicht jetzt schon persönlichen Konsequenzen?

Kardinal Woelki hat immer wieder bekräftigt, dass er persönliche Konsequenzen ziehen wird, wenn sein Verhalten und Wirken untersucht worden ist und diese Untersuchung Konsequenzen nahelegt.   

  1. Übernimmt Kardinal Woelki moralische Verantwortung?

Kardinal Woelki hat bei verschiedenen Gelegenheiten Betroffene um Verzeihung für das ihnen von Kirchenvertretern zugefügte Leid gebeten und seine Scham über Missbrauchsverbrechen zum Ausdruck gebracht (z.B. im November 2019 in einem Interview mit dem Domradio). Bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 26.09.2018 hat er dies in seiner kurzen Predigt zum Ausdruck gebracht und sich dann schweigend niedergekniet.   

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