Ein ungewöhnlicher Stammbaum

 

Die Adventszeit ist eine Zeit, in der wir uns besonders vorbereiten auf das Fest der Geburt Jesu, das wir an Weihnachten feiern. Neben dem Evangelisten Lukas hat auch der Evangelist Matthäus etwas über die Geburt Jesu geschrieben, wenngleich in einem ganz anderen Stil: er hat einen Stammbaum verfasst, den Stammbaum Jesu (Mt 1,1-17 – heutiges Evangelium). Damit will er aufzeigen, dass Jesus ein Nachfahre Abrahams ist. In Jesus erfüllen sich die Verheißungen des Retters, von denen Jesaja, Jeremia und die anderen Propheten sprechen. Er ist der Spross aus der Wurzel Isais, er ist der Menschensohn, der kommen wird und der der Sohn Davids ist.

 Aber dieser Stammbaum ist kein makelloser Stammbaum! Im Stammbaum Jesu tauchen  auch Gestalten auf, die nicht einwandfrei waren, z.B. war Juda ein Schurke, der nicht ausgelassen wurde.              

Und vor allem: Entgegen der herkömmlichen Gepflogenheit, einen Stammbaum nur über die männliche Linie zu beschreiben, tauchen nun bei Matthäus fünf Frauen auf, und zwar Frauen mit einer durchaus eigenwilligen Geschichte: Tamar war eine kanaanäische Außenseiterin (Gen 38). Rahab war eine wirkliche Prostituierte, die aber dem Volk Israel die gewaltlose Eroberung Jerichos möglich machte (Jos 2). Auch Rut war eine Außenseiterin, eine Moabitin, eine Heidin also aus dem Blick der Juden (vgl. Buch Rut), die nach dem Tod ihres Mannes trotz vieler Schikanen bei ihrer Schwiegermutter blieb. Schließlich die Frau des Urija, Bathseba. Mit ihr beging David Ehebruch, wegen ihr brachte er ihren Ehemann um (2 Sam 11).

Und schließlich Maria, dieses bedeutungslose, unscheinbare Mädchen, und die ungewöhnlichen Umstände der Geburt Jesu, von denen Matthäus anschließend berichtet.

Überraschend ist, dass im Stammbaum Jesu Frauen auftauchen. Noch überraschender ist, dass darunter nicht die großen jüdischen Stammmütter Sara, Rebekka oder Rahel aufgeführt sind, sondern ausgerechnet diese Frauen: Sie sind bis auf Maria gar keine Jüdinnen. Sie haben eine meist undurchsichtige, manchmal moralisch fragwürdige Lebensgeschichte. Sie stehen außerhalb der normalen Lebensabläufe. Warum werden gerade sie genannt? Vielleicht weil sie wache und leidenschaftliche und suchende Menschen sind. Das scheint Gott wichtig zu sein.  Sie werden nicht verleugnet, obwohl sie teilweise so anstößig sind. Gott schert sich nicht um unsere Klassifizierungen. Und: Schon immer hat er den engen Rahmen der Nationalität, der Geschlechterrollen und unserer gegenseitigen Festlegungen gesprengt. Mit diesem Vorwort beginnt Matthäus die Geburtsgeschichte Jesu!

Und Jesus nimmt diese Spur auf, erklärt sie zum Weg für uns. Und dabei geht es nicht nur um unser Verhalten, sondern auch um unser Gottesbild. Gott kann die schrägsten Typen in seine Geschichte aufnehmen.

Der Stammbaum Jesu umfasst  verschiedene Menschen: Von ihrem Glauben fest Überzeugte und Zweifelnde – Menschen, die schwere Schuld auf sich geladen haben und fast Heilige – außergewöhnliche Menschen und ganz einfache. Und diese bunte Mischung gibt es bis heute, auch bei uns, in unseren Gemeinden und in unserer Kirche. Und wir mit unseren Lebensgeschichten  gehören dazu.

Gebet

Gott, ich glaube an dich, ich vertraue dir.
Gott, ich zweifle an dir, ich stelle dich in Frage,
aber du lebst.  Du lebst in mir, Gott, du lebst mein Leben.
Du gehst meinen Weg.

Jetzt bist du bei mir in dieser Sekunde.
Kein Weg ist falsch.
Gott, du führst mich. Du selbst bist mein Ziel.
Du hast mich gemocht,  so wie ich bin,
du willst mich, wie ich bin.

Gott, mein Gott, ich will dir folgen
auf dem Weg, den du mir zu gehen befiehlst.
Verzeihe mein Unverständnis.
Danke für das Leben. Danke für den Schmerz.
Danke für die Freude. Danke, dass ich lebe.
Gott, vertrauter, unbekannter Gott.